Behandlungsbeispiele aus der Traditionellen Chinesischen Medizin
Im Interview: Brigitte Weber, TCM-Gynäkologie, Dipl. Akupunktur-Therapeutin SBO-TCM, Dipl. Tuina-Therapeutin SOB-TCM, Dipl. Pflegefachfrau HF, Zürich
Autorin: Andrea Pauli
Originalbeitrag: www.avogel.ch
Mithilfe der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) lassen sich Wechseljahrbeschwerden positiv beeinflussen. Therapeutin Brigitte Weber aus Zürich erklärt exklusiv für A.Vogel Grundsätzliches zur Behandlung und gibt Beispiele aus der Praxis.
TCM zeichnet ein positives Bild der Wechseljahre
Wer als Frau unter Wechseljahrbeschwerden leidet, muss sich nicht einfach damit abfinden. Es gibt vielerlei Ansätze, diese besondere Zeit im Leben einer Frau wohltuend zu begleiten. Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) zeichnet ein positives Bild der Wechseljahre; sie werden liebevoll „zweiter Frühling“ genannt. Die Veränderungen gehen aus Sicht der TCM weit über die hormonelle Umstellung hinaus.
Zur Mitgestaltung ermuntern
„Es sind drei Ebenen, auf denen die TCM-Therapie ansetzt: mental, geistig und seelisch“, erklärt Brigitte Weber. Darum ist ihr wichtig, im Erstgespräch mit einer Klientin vorab den physisch- mentalen und den Gefühlszustand anzuschauen und danach den Lebenswandel betrachen sowie die Frau zur aktiven Mitgestaltung zu ermuntern. „Für mich ist es ganz wichtig, dass man selbst etwas beiträgt, nur dann ist die Behandlung auch nachhaltig“, betont sie. „Frauen sind während der Menopause oft im Hamsterrad, müssen im Beruf funktionieren, können aber nachts nicht schlafen und sind am Tag entsprechend erschöpft – ein Teufelskreis. Und aus dem möchte ich sie rausholen.“ Meint: Die Frau sollte zur Ruhe kommen, z.B. durch bewusst genossene Spaziergänge. Und durch Atemübungen: „Das finde ich ohnehin das Wichtigste, nicht nur während der Wechseljahre – die Atmung!“ Man müsse zu einer bewussten Atmung finden, „also zur Bauchatmung und dabei länger aus- als einatmen.“
Das lasse sich ganz einfach mit gezielten Übungen am Morgen gleich nach dem Aufstehen und am Abend vor dem Zubettgehen trainieren und brauche nicht länger als jeweils zwei Minuten. „Und wenn man dieses Atemtraining zu Tagesbeginn und -ende integriert hat, dann kann man es in kritischen Situationen auch zwischendurch immer wieder abrufen. Das ist etwas ganz Essenzielles“, betont Brigitte Weber. „Denn während der Wechseljahre sind die meisten Frauen im Stress und atmen viel zu schnell.“
Ernährungskonzept
Ebenfalls eine entscheidende Rolle spielt in der TCM die Ernährung. „Da geht es z.B. darum, dass man erhitzende Dinge weglässt, etwa Alkohol, Kaffee, Pfeffer, Chili, Knoblauch, Zwiebel und rotes Fleisch. Zugleich sollte man auf eine ausreichende Versorgung mit Omega-3 und Vitamin D achten“, umreisst die Therapeutin das Ernährungskonzept.
Individuell zusammengestellte Tinkturen
Je nach Konstitution der Klientin erstellt Brigitte Weber Rezepturen für Tinkturen oder Teemischungen – stets ganz individuell abgestimmt. „Die Tinkturen werden zwei bis drei Monate eingenommen, dann kann man erst mal schauen, wie es geht. Eventuell macht man dann mit einer reduzierten Dosis weiter, oder man setzt sie ab. Allenfalls machen die Frauen so weiter, weil sie sich damit gut und stimmig fühlen.“
Der Grundgedanke ist stets, das aus der Balance geratene hormonelle Gleichgewicht wiederherzustellen, also Yin und Yang zu harmonisieren. Bei Hitzewallungen etwa muss Yin (entspricht dem Östrogen) wieder aufgebaut, Yang hingegen (entspricht Progesteron) etwas gemildert werden.
Massage und Akupunktur
Zu Beginn der physischen Behandlung setzt die Therapeutin entspannende Tuina-Massagen ein. „Gerade auf dem Blasen-Meridian am Rücken hat man verschiedene Themen, z.B. alle Organe, und die sind oft auch blockiert. Die gehe ich dann an und bleibe zum Teil auch auf den organspezifischen Punkten lange drauf, damit da der Energiestau gelöst wird. Gezielt arbeite ich zudem im Kopf-, Nacken-, ISG- und LWS-Bereich, da sind viele Frauen sehr verspannt.“
Dann folgt die Akupunktur. „Dabei geht es u.a. darum, Nieren-Yin und -essenz zu tonisieren, da allgemein die Nierenenergie mit zunehmendem Lebensalter abnimmt. Viele haben auch ein erhöhtes Leber-Yang und dieser Leberenergie-Stau soll wieder ins Fliessen gebracht werden.“
Dieser Stau äussere sich in Symptome wie Depression, Unruhe, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Muskelzucken und oder -kribbeln. „Auch kann es zu einem aufsteigenden Leber-Yang kommen. Die Symptome dafür können heftige pulsierende Kopfschmerzen in der Schläfengegend, Ungeduld, Reizbarkeit, Wutausbrüche usw. sein. Das hat aber nicht nur mit den Wechseljahren und dem hormonellen Ungleichgewicht zu tun, sondern auch damit, dass die Frauen einfach viel zu viel unter einen Hut bringen müssen, Arbeit, Haushalt, Kinder, Ehemann und anderes, was dazu kommt. Da ist es meiner Meinung nach wichtig, Freiraum für sich selbst zu schaffen, wie oben erwähnt.“
Vier Behandlungsbeispiele aus der Praxis
Patientin 1 (50 Jahre, seit zwei Jahren keine Menstruation mehr)
Beschwerdebild:
- Wallungen, Schlafprobleme und Gedächtnisstörungen
- Nachts drei- bis fünfmal leicht- bis nassgeschwitzt
- tagsüber manchmal stündliches Hitzegefühl, meist alle drei Stunden feuchtgeschwitzt
- Gelenkbeschwerden
- Probleme mit dem Durchschlafen
- trockene Vaginalschleimhaut
- starke Reizbarkeit
Behandlungsansatz:
- Tuina-Massage
- Akupunktur
- Tinkturen:
gegen die Wallungen, Inhaltsstoffe:
– Schwarze Johannisbeere
– Traubensilberkerze
– Salbei
– Hopfen
– Melisse
gegen die Reizbarkeit, Inhaltsstoffe:
– Johanniskraut
– Passionsfrucht
– Baldrian
– Melisse
– Wermut - Zäpfchen auf Basis von Yamswurzel nach Dr. Ritzmann über 20 Tage abends je 1 g-Zäpfchen einführen; danach über drei Monate zweimal pro Woche ein 3 g-Ovulum einführen und danach prüfen, ob sich die Beschwerden gebessert haben. «Die meisten haben dann wieder eine wunderbare Vaginalschleimhaut und auch die Schmerzen beim Sex sind deutlich weniger», so Brigitte Weber. «Tritt die Problematik erneut auf, wiederholt man die Kur.»
Patientin 2 (48 Jahre)
Beschwerdebild:
- starke Blutungen
«Zuerst gilt es fachärztlich abzuklären, ob die starken Menstruationsblutungen von einem Myom oder Polyp herrühren. Jedoch ist meistens die Gebärmutterschleimhaut zu stark aufgebaut.
Generell ist hier von einem Ungleichgewicht auszugehen: zu wenig Yang, zu viel Yin. Und klar zu viel Feuchtigkeit gemäss dem Konzept von TCM.»
Behandlungsansatz:
- Akupunktur
- Schröpfen
- Wärmetherapie mit Moxa
- Ernährung:
– vor allem feuchtigkeitsspendende Nahrungsmittel weglassen oder auf jeden Fall reduzieren. Besonders Zucker, Kuhmilch- und Weizenprodukte sind verschleimend. Frauen mit ähnlich gelagerten Problemen sollten mehr wärmende Dinge zu sich nehmen und Rohkost reduzieren. - Tinkturen:
– Zaubernuss
allenfalls etwas Rhythmisierendes, wenn die Blutung unvorhersehbar ist, das kann z.B. Wilde Möhre sein, zudem etwas, das Phytoöstrogene enthält:
– Frauenmantel
– Yams
– Mönchspfeffer
– Schafgarbe (ist auch sehr gut gegen starke Blutungen)
«Je nachdem, wie der emotionale Zustand ist, sollte die Klientin unbedingt in die Entspannung gehen!»
Patientin 3 (54 Jahre)
Beschwerdebild:
- Gewichtszunahme
«Wenn es nicht gerade eine Gewichtszunahme um 10 bis 15 Kilo ist, ist das ok», findet Therapeutin Brigitte Weber, «denn das geht nach einigen Jahren wieder zurück.» Wer jedoch sehr unter den zusätzlichen Pfunden leide, erhält von ihr eine Ernährungsberatung.
Behandlungsansatz Ernährung:
- meiden:
– Kohlenhydrate
– Alkohol und Zucker - bevorzugen:
– Nüsse (aber nicht zu viele)
– kaltgepresstes Öl («Nicht beim Fett sparen – es kommt auf die richtigen Fette, also gute Öle an!»)
– Gemüse («Davon kann man so viel essen, wie man will.»)
– eher eiweisshaltige Kost - Entschlackende Tees:
– Brennnessel
– Birke
– Löwenzahn (gut für die Leberentgiftung) - Generell:
Nahrungsaufnahme nur dreimal täglich, keine Zwischenmahlzeiten, «damit der Körper über fünf Stunden Zeit hat, eine Verdauungspause zu machen.»
Patientin 4 (63 Jahre)
Beschwerdebild:
- Libidoverlust
«Hier stellt sich die Frage: Wie sieht die Sexualität aus, was fühlt die Klientin, was erregt sie, was vermisst sie? Wie ist die Vaginalschleimhaut, macht das Schmerzen beim Geschlechtsverkehr?»
Behandlungsansatz:
- Tuina-Massage zur Entspannung
- Akupunktur
- Yamswurzel-Zäpfchen und/oder Gleitmittel
- mental Bewusstsein schaffen!
«Viele Frauen in dem Alter haben noch nie geschaut, wie sie überhaupt aussehen. Nehmt euch einen Spiegel! Getraut euch, euch selbst mal anzufassen», rät Brigitte Weber. - Hausaufgabe: sich selbst nackt im Spiegel anschauen und so einen besseren Bezug zum Körper bekommen. Sich in die Geschlechtsorgane hindenken und spüren, dass sie da sind. Sich in sich selbst einfühlen vor dem Sex mit dem Partner und die eigene Lust erst mal wecken. «Dann ist man nicht von 0 auf 100, sondern von sich aus schon bei 20 oder 30…».
«Es geht vor allem darum, sehr viel Bewusstseinsarbeit zu leisten, und das ist ja in allen Lebenslagen wichtig. Die Frau sollte lernen, sich selbst eigene gute Erlebnisse mit ihrem Körper zu verschaffen. Dann kann sie sich dem Partner viel besser öffnen und besser kommunizieren, was sie gerne haben möchte», so Brigitte Weber.
Der Therapeutin ist gerade in der Sexualität ein waches Bewusstsein wichtig. «Ich bin der Ansicht und sage das meinen Frauen auch immer: Wir sind die Gastgeberinnen! Er ist der Gast! Ihr bestimmt, wer wann in euch eindringt! Das machen eben viele Frauen nicht, weil sie einfach zu wenig kommunizieren bei der Sexualität, oder auch Schamgefühle haben. Viele Frauen finden die Sexualität auch langweilig, wenn sie über Jahre und Jahrzehnte immer gleich abläuft. Doch leider wissen sie dann nicht, wie es anders geht – und delegieren alles an ihren Mann. Nur, der Mann weiss nicht, was Frauen fühlen und jede Frau hat andere Prioritäten, Empfindungen und Lieblingsstellen.
Darum empfehle ich immer: Erkundet, was euch gefällt und was ihr gerne habt, probiert euch selber aus. Probiert mal was Neues, nicht immer die gleiche Alltagsroutine. Schafft neue Impulse! Und lernt, einfach mal wieder ins Geniessen zu kommen und den Kopf abzuschalten», so Brigitte Weber.
Sie empfiehlt z.B. folgende Abmachung: Jede/r darf eine halbe Stunde mal nur daliegen und sich verwöhnen lassen. Bei der Frau ist durchaus ein Orgasmus erwünscht. Der Mann sollte warten mit einem Orgasmus, weil ansonsten alles bei ihm vorbei ist. Einfach nur fühlen ohne den Druck, etwas machen zu müssen. Und dann wechseln. «So kommt man mal aus dem Kopf raus und ins körperlich bewusste Erleben.» Zudem kann man beim Partner Neues entdecken, was er oder sie gerne hat und wovon man vorher noch nicht wusste.