Aus den verschiedensten gesellschaftlichen Gründen steigt das Durchschnittsalter von Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes seit Jahren an. Gleichzeitig ist die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau zurückgegangen und hat sich bei bescheidenen 1,5 eingependelt. Was sich hingegen kaum verändert hat, ist die Biologie der Frau. Das Zeitfenster, in dem sich Frauen fortpflanzen können, ist und bleibt – allen medizinischen Möglichkeiten zum Trotz – beschränkt. Die Konsequenz daraus: Bei einer wachsenden Zahl von Frauen kommt irgendwann der Wunsch nach Kindern mit den Fakten der weiblichen Biologie in Konflikt.

(Noch) Kinderlose, die auf die ominöse Grenze der 40 zusteuern, finden sich öfters als man denkt in einem veritablen Wettlauf gegen ihre immer lauter tickende biologische Uhr wieder. Und sie beginnen sich zu fragen: «Finde ich noch den passenden Partner für die Familiengründung, bevor es zu spät ist?» «Wünscht er sich bis in ein paar Jahren auch Kinder?» «Werde ich wohl noch schwanger, wenn ich das erwünschte Karriereziel erreicht habe?» Fragen, die Männern weitgehend fremd sind, und deren quälende Dringlichkeit auch Frauen nur schwer nachvollziehen können, wenn sie selber jung Mutter geworden sind. Für die Betroffenen ist der Wettlauf gegen die Zeit hart – und er wird fast immer im Stillen ausgetragen.

Die biologische Uhr der Frau ist, in Kombination mit Kinderwunsch, nach wie vor ein tabuisiertes Thema. Wagt es eine Frau doch, darüber zu sprechen, kommt ihr nicht selten Unverständnis entgegen, oder es steht der unausgesprochene Vorwurf von Egoismus im Raum. «Ach, schon wieder so eine Verzweifelte?» «Was willst du denn noch, in deinem Alter?» «Vergiss doch deine Torschlusspanik!» Und: «Erfreue dich einfach deines Lebens als Kinderlose!» Wenn dies bloss so leicht wäre. Der Wunsch nach Kindern ist ein Urtrieb der Menschheit; er lässt sich im Einzelfall nur schwer erklären und schon gar nicht wegdiskutieren.

Wenn Frauen mit Kinderwunsch die Zeit davon zu laufen beginnt, ist das oft der Anfang einer persönlichen Leidensgeschichte. Denn sie müssen ihren Kinderwunsch hinterfragen wie niemand sonst. Sie begeben sich in Therapie,  um den Ursprung ihres «Mankos» zu finden, sie versuchen krampfhaft, nicht verkrampft zu erscheinen, sie schwanken ständig zwischen Selbstironie und heulendem Elend hin und her, sie verzweifeln fast und wissen zugleich: das Leben muss weiter gehen! Die einen finden in letzter Minute doch noch ihr Kinderglück, auf konventionellem oder auf anderem Weg. Andere entdecken unverhofft den Reiz alternativer Lebensentwürfe. Manche finden sich irgendwann notgedrungen mit der Kinderlosigkeit ab, und einige kommen nie ganz darüber hinweg. Ihnen allen ist das Buch «Bye Bye, Baby?» von Annette Wirthlin gewidmet.

Darin erzählen betroffene Frauen ebenso ehrlich wie selbstkritisch von ihrem Leben zwischen Hoffnung, Selbstvorwürfen und Torschlusspanik. Die berührenden Porträts werden ergänzt durch Gespräche mit Experten verschiedenster Fachrichtungen, die interessante Fakten vermitteln, neue Denkanstösse liefern und über mögliche Hintergründe des Phänomens Kinderwunsch nachdenken

Bye Bye, Baby? Frauen im Wettlauf gegen ihre biologische Uhr: Annette Wirthlin, Werd Verlag, 2015, 308 S., CHF 29.